Kurz vor Weihnachten. Strahlend blauer Himmel, ein paar weiße Wölkchen am Horizont. Sonne ohne Ende, 20 Grad und mehr. Sechs Wochen sind wir jetzt schon hier in Mirtos, in unserem zweiten Winter. Zwölf Wochen bleiben noch - Zeit für eine Zwischenbilanz.
Am Morgen, als erstes, der Blick aufs Libysche Meer, das sich unter unserem Apartment erstreckt. Frühstück auf dem Balkon, in der Sonne, ein Urlaubstraum. Wir haben nicht lange gebraucht, uns hier wieder wohl und heimisch zu fühlen – und zu merken, dass es ja kein wirklicher Urlaub ist. Vieles ist großartig, klar, aber ich sehe doch manches etwas nüchterner als im vergangenen Winter. Realistischer vielleicht. Ein Kreter sagte mir mal: Weißt du, ich bin hier geboren, mein Leben lang sehe ich das Meer. Das ist nichts Besonderes. Mal richtig Schnee, in den Alpen, das fände ich spannend.
Dem nüchterneren Blick fällt so dies und jenes auf. Zum Beispiel der Müll, der öfters in der Landschaft rumfliegt. Ich habe das Gefühl, dass das Problem zunimmt. Oder der Dreck rund um die großen Tonnen, in die man seinen Abfall wirft. Störend ist dies besonders dort, wo sich die Abfallhaufen vor einer großartigen Landschaftsszenerie türmen. Es ist unästhetisch, unnötig. Und gefährlich: Irgendwann landet einiges davon im Meer. Auch die Fische leiden darunter. Die Behörden scheint es nicht zu interessieren. Andererseits: Die Innenstadt von Heraklion beispielsweise ist blitzsauber. Den ganzen Tag laufen Mitarbeiter (und wirklich auch Mitarbeiterinnen) herum und kehren, kleine Müllautos sind unterwegs und fahren das aufgesammelte Zeug ab. Da können sich deutsche Städte eine Scheibe abschneiden.
Ein auffälliger Unterschied zu Deutschland ist auch, wie der Straßenverkehr hier auf Kreta abläuft. Auf den ersten Blick chaotisch, oft erinnert es mich an das Treiben auf einem Autoscooter-Parcours auf dem Jahrmarkt. Aber: Alle, fast alle, sind rücksichtsvoll, rechnen mit diesem und jenem. Und wenn jemand einen Fehler macht, gibt es kein Gehupe und Geschimpfe. Man nimmt es gelassen hin – und gut ist’s. Es ist ebenfalls kein Problem, irgendwo zu parken, auch wenn es vielleicht mal nicht so ganz regelkonform ist. In der Regel kosten auch die offiziellen Parkplätze nichts oder ganz wenig. Das schätzt man, wenn man deutsche Städte kennt.
Leben und leben lassen – diese angenehme (und eigentlich selbstverständliche) Einstellung ist hier auf Kreta noch nicht in Vergessenheit geraten.
Da wundert es auch nicht, dass in der Gastronomie so manches anders ist. Kostenloses Wasser ist meist eine Selbstverständlichkeit, oft bekommt man eine kleine kostenlose Vorspeise, nachher ein bisschen Dessert und einen Raki. Gastfreundschaft wird großgeschrieben. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Natürlich ist das gastronomische Angebot jetzt im Winter begrenzt und etwas eintönig. Daher kochen wir oft in unserem Apartment, manchmal auch richtig deutsch. Gulasch (vom hiesigen Metzger) und Semmelknödel (von zuhause mitgebracht), das ist schon was. Und Rosenkohl gibt es auch manchmal. Es kann eben nicht immer Feta sein.
Wir leben hier unseren Alltag, kommen weg vom Touristendasein, aber wir machen uns keine Illusionen: Wir werden hier immer Gäste sein. Das sagen auch Freunde, die schon 20 oder 30 Jahre hier leben. Auch wenn sie natürlich gut Griechisch sprechen.
Da sind wir noch weit von entfernt. Klar, wir versuchen es zu lernen, das Leben wird einfacher dadurch, das Bemühen allein wird schon anerkannt. Ich finde, dass das Lernen der Sprache ein Ausdruck von Wertschätzung seinem Gastland gegenüber ist.
Aber, ganz ehrlich, Griechisch ist verdammt schwer. Man kennt Worte wie Telegraph, Akkustik, Philosophie, die natürlich aus dem Griechischen kommen, aber im Alltag nutzt das eher wenig. Die Grammatik ist nicht die einfachste, und lange Wörter wie „chrisimopoio“ (benutzen) oder „savvatokyriako“ (Wochenende) machen es auch nicht leichter. Oder Hürden wie die fünf Möglichkeiten, den Vokal „i“ zu schreiben. Kein Wunder, dass Englisch, dessen Basisversion man schnell drin hat, die wichtigste Weltsprache ist. Aber Deutsch soll ja auch nicht so einfach sein.
Just before Christmas. Bright blue sky, a few white clouds on the horizon. Endless sunshine, 20 degrees and more. We have been here in Mirtos for six weeks now, in our second winter. Twelve weeks to go - time to take stock.
First thing in the morning, the view of the Libyan Sea, which stretches out beneath our apartment. Breakfast on the balcony, in the sun, a vacation dream. It didn't take us long to feel comfortable and at home here again - and to realize that it's not really a vacation. A lot of things are great, of course, but I see some things a little more soberly than last winter. More realistically perhaps. A Cretan once said to me: "You know, I was born here, I've seen the sea all my life. That's nothing special. I'd love to see real snow in the Alps.
The more sober eye notices this and that. For example, the garbage you often find in the countryside. I have the feeling that the problem is increasing. Or the dirt around the large garbage cans where people throw their garbage in. This is particularly annoying where the piles of garbage are piled up in front of a magnificent landscape. It is unaesthetic, unnecessary. And some day it ends up in the sea. The authorities don't seem to care. On the other hand, the city center of Heraklion, for example, is spotlessly clean. All day long, employees walk around sweeping, small garbage trucks are on the road and take away the collected garbage. German cities can take a leaf out of it.
Another striking difference to Germany is how the traffic here on Crete works. At first glance it seems chaotic, often reminding me of the hustle and bustle on a bumper car course at a fair. But: everyone, almost everyone, is considerate and takes this and that into account. And if someone makes a mistake, there is no honking and scolding. You just take it in your stride - and that's it. It is also no problem to park somewhere, even if it's not quite according to the rules. As a rule, even the official parking spaces cost nothing or very little. You appreciate that if you know German cities.
Live and let live - this pleasant (and actually self-evident) attitude has not yet been forgotten here on Crete.
So it's not surprising that many things are different in gastronomy. Free water is usually a matter of course, you often get a small free starter, followed by a little dessert and a raki. Hospitality is very important. Exceptions prove the rule.
Of course, the gastronomic offer is limited and somewhat monotonous in winter. That's why we often cook in our apartment, sometimes really German. Goulash (from the local butcher) and bread dumplings (brought from home), that's fine. And we also sometimes have Brussels sprouts. It can't always be feta cheese.
We live our everyday lives here, get away from being tourists, but we have no illusions: We will always be guests here. Friends who have lived here for 20 or 30 years say the same thing. Even if they speak good Greek, of course.
We are still a long way off. Sure, we try to learn it, it makes life easier, the effort alone is recognized. I think that learning the language is an expression of appreciation towards your host country.
But, quite honestly, Greek is damn difficult. You know words like telegraph, acoustics, philosophy, which of course come from Greek, but they are of little use in everyday life. The grammar is not the easiest, and long words like "chrisimopoio" (use) or "savvatokyriako" (weekend) don't make it any easier. Or hurdles like the five ways to write the vowel "i". It is no wonder that English, the basic version of which is easy to learn, is the most important world language. But German is not supposed to be that easy either.