von Michael Meinert
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20. Januar 2024
Heraklion hat einiges zu bieten. Es ist sicher nicht die schönste Stadt Kretas, aber es hat ja auch viel mitgemacht in seiner langen Geschichte. Angefangen hat alles mit dem großen Knossos, der minoischen Metropole, die nahe der heutigen Hauptstadt vor fast 4000 Jahren einen ihrer kleineren Häfen betrieb. Dann kamen die Griechen vom Festland, die Araber, die Byzantiner, die Venetianer, die Türken, vor rund 80 Jahren dann auch noch die Deutschen, die die Stadt bombardierten und viel zerstörten. Der Wiederaufbau nach dem Krieg verlief eher planlos, Ästhetik spielte keine Rolle - und das sieht man der Stadt an. Nicht so im Zentrum, rund um den berühmten Löwen- oder Morosini-Brunnen aus dem Jahr 1628. Hier, in einem weitläufigen Fußgängerbereich, schlägt das Herz Heraklions, hier zieht es uns immer wieder hin. Wir sehen uns die hübschen und meist gut besuchten Tavernen, Cafés und Restaurants an, schlendern durch die Basarstraße Odos 1866, bestaunen die venezianische Loggia oder die Titoskirche, betrachten die Schaufenster der zahlreichen Geschäfte auf dem Weg zum Eleftheriasplatz, gehen die Straße des 25. August hinunter zum Meer, zum alten Fort, zum Venezianischen Hafen. 21 Jahre Belagerung Den Venezianern, die von 1206 bis 1669 Kreta beherrschten, verdanken wir einen Spaziergang der besonderen Art. Der Venezianische Befestigungswall mit seinen zahlreichen Bastionen umgibt den Kern Heraklions auf einer Länge von mehr als fünf Kilometern. Er ist wuchtig, er ist breit, er hat der türkischen Belagerung 21 Jahre lang standgehalten, bevor die Osmanen dann in eben jenem Jahr 1669 Heraklion doch noch eroberten und fast 250 Jahre lang auf Kreta blieben. Zum Leidwesen der Kreter. Heute kann man auf diesem kolossalen und gut erhaltenen Bauwerk entlang spazieren. Eigentlich. Denn zurzeit wird der Weg neu gestaltet, vieles ist schon fertig, vieles noch nicht so ganz. Und so sind nicht wenige seiner Auf- und Abgänge gesperrt. So läuft man schon mal ein paar hundert Meter in eine Richtung in der Hoffnung auf eine Treppe, die einen wieder nach unten und in die Gegenwart führt, aber am Ende versperren hässliche Blechplatten den Weg. Ärgerlich – zumal es keinen Hinweis auf die Sackgasse gibt. Eine Bastion für Nikos Kazantzakis Auch am Grab des berühmten Autors Nikos Kazantzakis (Alexis Sorbas) hoch oben auf der Martinengo Bastion wird gearbeitet. Man hat Gras und Palmen geschnitten, das Zeug liegt meterhoch rum, die beiden Arbeiter haben es sich auf den Steinquadern des schlichten Grabes gemütlich gemacht, um einer ausgedehnten Pause zu frönen. Den Autor hätte es vielleicht nicht gestört. Sein berühmter Spruch „Ich erhoffe nichts, ich fürchte nichts, ich bin frei“ ziert den Grabstein. Begegnungen mit der Geschichte Was wäre Heraklion, die Stadt des Herakles, ohne seine Museen? Das berühmteste ist natürlich das Archäologische Museum, diesmal haben wir uns das ebenfalls sehr empfehlenswerte Historische Museum ausgesucht. Das Naturhistorische Museum steht beim nächsten Besuch auf unserer Liste, und wirklich fasziniert bin ich auch vom Museum der Altgriechischen Technologie (Blogbeitrag vom 30.01.2023). Das größte Museum aber ist der Minoische Palast von Knossos außerhalb von Heraklion (Blogbeitrag 24.01.2023). Der richtige Dreh Heraklion ist in jeder Beziehung quirlig. Das gilt auch für den Straßenverkehr. Daher sind wir jetzt auf den Bus gekommen. Gar nicht so schwer. Gerade mal 1,20 Euro kostet das Ticket in der City. Man zieht es am Automaten, oder kauft es im Kiosk oder Mini-Market. Die Entwertung ist denkbar einfach. Man hält es dem Fahrer hin, hält es fest, und er reißt die Hälfte ab. Besonders gut geht es, wenn man die Hand, mit der man den Fahrschein hält, gegenläufig zur Reißrichtung des Fahrers dreht – das ist dann schon richtig professionell. Die Busse fahren in einem engen Takt, Leuchttafeln zeigen an, wann der nächste kommt. Oder man scannt einfach einen QR-Code an der Haltestelle. Man sollte sich zwei, drei Tage Zeit nehmen für dieses Heraklion mit seinen Sehenswürdigkeiten, seinen Tavernen, seinen interessanten Geschäften, seinen in der Innenstadt auffällig gepflegten Straßen, seiner malerischen Kulisse am alten Hafen und der sehnsuchtsvollen Atmosphäre der großen Fähren am neuen Port, die Kreta mit Griechenland verbinden. Eine Stadt mit Gegensätzen - und mit viel besonderem Flair.