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19. Januar 2023

Michael Meinert

Katzen, Katzen, Katzen

Mirtos ist ein Katzendorf. Unzählige sind hier versammelt: graue, schwarze, rote, weiße, getigerte, gefleckte und gescheckte in allen denkbaren Variationen, dicke, dünne, kleine, große. Sie liegen auf Treppen, auf Stühlen, auf Mopeds, auf Autos, auf Mülltonnen. Sie tigern durch die engen Gassen, schlendern die Uferpromenade entlang, lungern herum auf Bäumen und Balkonen, in Blumenkästen oder auf Kissen, die Katzenfreunde hier und da platziert haben. Manche sind scheu, andere frech, manche sehen freundlich aus, andere grimmig. Viele sind friedlich, andere regelrechte Kampfkatzen. Es gibt sogar eine Aristokratie: Das sind die, zu deren Revier eine Taverne gehört. Sie sehen besonders wohlgenährt aus.
Vor unserem Apartment ist eine kleine Veranda mit einem Tisch und drei Stühlen. Dort wohnt ein kleiner Kater. Er ist süß, will permanent gestreichelt werden, schnurrt beim geringsten Anlass wie ein Weltmeister - aber er ist aufdringlich. Sehr sogar. Setzt man sich auf einen Stuhl, um die Schuhe zuzubinden, drängt er sich zwischen Hände und Schnürsenkel, stapft auf den Schuhen herum - und schnurrt und schnurrt und schnurrt. Hat man es dann endlich geschafft, drängt er sich zwischen die Beine, dass man keinen Fuß mehr vor den anderen setzen kann. Wir versuchen, ihm mit gütiger Strenge Manieren beizubringen. Schwierig, wirklich schwierig. Meist ziehen wir uns jetzt die Schuhe in der Wohnung an.
Auf den Gassen gibt es bisweilen regelrechte Schauspiele. Wenn übermütige Katzen wie besessen einen Baumstamm hochrennen und dann recht nachdenklich werden, wie sie am besten wieder runterkommen, oder wenn sich zwei Feinde begegnen. Da umkreisten kürzlich zwei Kater einander in Zeitlupentempo und Zentimeterabstand - zornige Laute ausstoßend und heftig mit den Schwänzen schlagend. Minutenlang. Dann geht es los: Lautes Gekreische, und die beiden bilden ein tobendes und sich wälzendes Knäuel aus Fell, Zähnen und Krallen. Bis eine resolute Dame die Kontrahenten in die Flucht schlägt. Zum Glück.

Cats, Cats, Cats

Mirtos is a cats´ village. Countless cats live here: grey, black, red, white, striped, spotted in all possible variations - thick, thin, small, large. They lie on stairs, on chairs, on motorbikes, on cars, on garbage cans. They stroll through the narrow alleys, along the waterfront, loiter on trees and balconies, in flower boxes or on cushions that cat lovers have placed here and there. Some are shy, others cheeky, some look friendly, others grim. Many are peaceful, others real fighting cats. There is even an “upper class”: those whose territory includes a tavern. They look particularly well-fed.

In front of our apartment there is a small veranda with a table and three chairs. A little tomcat lives here. He is cute, wants to be stroked permanently, purrs at the slightest occasion - but he is very pushy.

If you sit down on a chair to tie the shoes, he squeezes between hands and shoelaces, trudges around on the shoes - and purrs and purrs and purrs. Once you have finally made it and get up, he pushes himself between your legs so that you can no longer put a foot in front of the other. We try to teach him manners with benevolent rigor. Difficult, really difficult. Now we put the shoes on in the apartment.

On the streets there are sometimes real spectacles. When cocky cats obsessively run up a tree trunk and then become quite thoughtful how to go down again, or when two enemies meet. Recently, two tomcats circled each other in slow motion and very short distance - meowing angrily and violently beating with their tails. For minutes. Then it started: loud screaming, and the two formed a raging and rolling tangle of fur, teeth and claws. Until a resolute lady scared them away. Luckily.

von Michael Meinert 26. April 2024
Bevor es nach einem ganzen Winter auf Kreta zurück nach Deutschland geht, machen wir noch Station in Kissamos. Ein Städtchen ganz im Nordwesten der Insel, das neben seiner quirligen und anstrengenden Durchgangsstraße auch ein paar schöne Ecken hat. Wir mieten uns in einer Pension ein und kaufen uns in einer Reiseagentur schon mal die Schiffstickets. Am folgenden Sonntagmorgen soll die Fähre von Kissamos nach Gythio auf der Peloponnes gehen, am frühen Abend dort ankommen. Am Montagabend legt dann das Schiff von Patras nach Venedig ab. So haben wir den ganzen Montag Zeit, die 300 Kilometer auf der Peloponnes zu fahren – und wir müssen nicht in den Trubel von Piräus. So unser Plan. Aber es ist ja erst Donnerstag, noch drei Tage Zeit für Kreta. Wir besuchen endlich mal den Botanischen Garten, der 15 Kilometer südwestlich von Chania in der Nähe des Dörfchens Fournes liegt. Der in einem hügeligen Gebiet angelegte Garten ist absolut sehenswert mit seiner Fülle an mediterranen und tropischen Pflanzen, den liebevoll arrangierten Kunstwerken am Wegesrand, den Pfauen und anderen Tieren in einem kleinen Zoo. Im Frühsommer wird es dort natürlich noch viel mehr blühen als jetzt im April, aber dafür sind nun viel weniger Leute unterwegs. Und wenn wir schon mal in der Gegend sind, dachten wir uns, fahren wir noch ein paar Kilometer weiter zur Omalos-Hochebene und zum Eingang der Samaria-Schlucht. Die Straße windet sich hoch hinauf in die Berge, kaum ein Auto ist unterwegs, oft müssen wir warten, bis die vielen Schafe langsam von der Fahrbahn trotten. Es ist leer und einsam, denn die imposante Schlucht ist noch geschlossen, der Eingang mit Zäunen und Stacheldraht verrammelt. Hier, auf 1200 Metern Höhe, wo sich im Sommer täglich hunderte von Schluchtenwanderern drängen, sind wir nun fast alleine - inmitten der grandiosen Bergwelt der Lefka Ori, der Weißen Berge. Die Samaria-Schlucht ist – wenn das Wetter mitspielt – vom 1. Mai bis zum 15. Oktober geöffnet. Auf mehr als 16 Kilometern zieht sie sich zwischen teilweise 600 Metern hohen Felswänden runter nach Agia Roumeli an der Südküste. Wir haben bisher nur die abgespeckte Variante gemacht: Frühmorgens von Agia Roumeli nordwärts bis zur Mitte der Schlucht, dann wieder zurück, bevor die wandernden Massen uns überschwemmen konnten. Bei dieser Version hat man Samaria für sich allein. Doch irgendwann steht auch die klassische Nord-Süd-Tour auf unserem Programm. Die zwei letzten Nächte auf Kreta verbringen wir in Kavousi bei Falasarna. Falasarna, in der Antike eine wichtige Hafenstadt, ist heute ein Badeort mit langem, phantastischem Strand. Und an eben diesem Strand meldet sich am Samstagnachmittag mein Handy. Eine SMS ist eingetroffen. Eine SMS der Fährgesellschaft, dass unser Schiff am Sonntagmorgen nicht fahren wird. Wartungsarbeiten. Wir sind ziemlich schockiert, haben wir doch nicht nur ein Hotel in Gythio gebucht, sondern auch schon das Anschlussticket nach Venedig gekauft. Was tun? Zum Glück ist die Agentur in Kissamos, wo wir die Tickets gekauft haben, am Samstagabend geöffnet. Und wir können umbuchen auf eine Fähre, die am Sonntagabend von Chania aus nach Piräus fährt. Kostet zwar etwas mehr, aber so können wir die Anschlussfähre erreichen. Am Sonntag fahren wir nach Chania, besuchen noch die antike Stadt Aptera in der Nähe, sind am Abend auf der Fähre. Gegen 21 Uhr geht es los. Erst wird der Hafen immer kleiner, dann die Souda-Bucht, dann ganz Kreta. Kein besonders schönes Gefühl, egal, ob nach zwei Wochen oder fünf Monaten. Aber wir trösten uns mit dem Gedanken: Nach Kreta ist vor Kreta.
von Michael Meinert 18. April 2024
Was für ein komisches Gefühl, nach fünf Monaten ein letztes Mal aus Mirtos herauszufahren. Das gewundene Sträßchen hoch nach Mournies, weiter nach Ano Vianos. Alles so vertraut, man kennt fast jede Kurve, jeden Blick auf die felsigen Hänge. Wir haben noch etwas Zeit, wollen uns noch ein bisschen im Westen von Kreta herumtreiben, dann die Fähre von Kissamos zur Peloponnes nehmen. Den ganzen Tag sind wir unterwegs, vorbei an Festos und Agia Galini, hoch nach Rethimnon, auf der Schnellstraße nach Chania, nach Kissamos, dann die Westküste runter. Wir haben eine Unterkunft in einem winzigen Örtchen namens Amigdokefali gebucht, in einem abgelegenen Häuschen, ein paar Kilometer vor Elafonisi. Areti Sea View Mountain Cottage heißt es, die Aussicht runter auf die Küste ist grandios und die Gastgeber, ein älteres Ehepaar, sind sehr nett und gastfreundlich. Sie laden uns zum Abendessen ein. Allerdings: Sie sprechen nur Griechisch, wirklich ausschließlich. Wir haben zwar in den vergangenen Monaten so einiges gelernt, aber wenn Kreter einen mit langen Sätzen in rasantem Tempo konfrontieren, hat man wenig Chancen. War trotzdem sehr nett. Beim nächsten Mal wird unser Griechisch besser sein. Am nächsten Tag ein Ausflug an den Lagunenstrand von Elafonisi, der als einer der schönsten Strände der Welt gilt. In der Saison drängen sich dort tausende von Besuchern, aber an diesem frühen Aprilmorgen haben wir den Traumstrand mit dem rosa Sand fast für uns allein. Und: Es ist windstill, das Wasser ganz glatt, es ist wunderschön. Ein Stück weiter Richtung Paleochora liegt ein anderer schöner Strand, Kedrodasos, was auf Deutsch Zedernwald bedeutet. Zwei Kilometer auf dem Fernwanderweg E 4 sind es bis dahin, aber es sind heftige zwei Kilometer, mit viel Kletterei über Felsen. Der E 4, ich stelle es jedes Mal fest, ist kein Spazierweg durch einen Kurpark. Kedrodasos ist ein Dünenstrand mit Zedern und ganz viel Wacholder, sehr schön anzusehen, zum Baden aber wegen der Felsplatten im Wasser nicht so ideal wie seine berühmte Schwester Elafonisi. Den Abend verbringen wir in einer Institution, ganz in der Nähe unserer Unterkunft: "Petroula’s Bar". Eine Holzkonstruktion mit einer phantastischen Aussicht und einem hochgelobten Orangensaft, bekannt bei vielen Kretareisenden. Petroula ist ein Esel der dort ab und zu herumstrolcht, ansonsten tummeln sich zahlreiche Hunde in und um die Hütte. Manolis, der Wirt, gibt zu, dass er einen Hundespleen hat, besonders jetzt, wo die Schar durch acht Welpen verstärkt wird. Wir sind mit Manolis allein an diesem Abend, trinken Wein und Raki und bekommen dazu Geschichten über Kreta im Allgemeinen und die Westküste im Besonderen serviert. Am nächsten Tag brechen wir auf zu den letzten beiden Stationen unserer Kretareise: Kissamos und Falasarna. Und werfen noch einen Blick in die Samaria-Schlucht. Mehr darüber in der nächsten Folge.
von Michael Meinert 24. März 2024
Sie ist anders als die andern - geheimnisvoll, vielversprechend, von üppiger Schönheit, mit vielen Facetten, hell und strahlend hier, dunkel und unergründlich dort: die Richtis-Schlucht, im Nordosten Kretas zwischen Kovousi und Sitia gelegen. Vom Örtchen Exo Mouliana aus schlängelt sie sich auf einer Länge von etwas über fünf Kilometern hinunter bis ans Meer. Fünf Kilometer aber, die es in sich haben. Startpunkt ist ein Parkplatz ein paar hundert Meter östlich von Exo Moulina an der Hauptstraße. Die Richtis-Schlucht ist bekannt für ihre üppige Vegetation: Bäume aller Art, die auf der Suche nach Licht ihre Äste in teils grotesken Windungen nach oben strecken, Oleander von ungewohnter Höhe, Pflanzen, die man als Zimmerpflanzen kennt, in riesigen Dimensionen, vereinzelte Palmen mitten in einem Laubwald, am Ende Oregano in Hülle und Fülle. Über Stock und Stein Der Weg windet sich an einem Bach entlang, mal auf der einen, mal auf der anderen Seite. Teils gibt es Holzbohlen, teils nur ein paar Trittsteine, über die man balancieren muss. In der Saison kostet die Schlucht Eintritt (derzeit drei Euro), aber die Einnahmen werden gut angelegt: Der Pfad ist sehr gut markiert, an schwierigen Stellen gibt es richtige Holzbrücken und Treppen. Besonders interessant ist die Treppenkonstruktion, die in der Mitte der Schlucht zu einem kleinen Rastplatz an einem sehr beeindruckenden Wasserfall hinabführt. Lara lässt grüßen Die Schlucht erinnert stellenweise an eine Klamm in Deutschland oder Österreich, wenig später aber an einen tropischen Dschungel, eine Tomb-Raider-Szenerie. Wobei Lara Croft die Felsbrocken, über die der Weg mitunter führt, sicherlich viel eleganter überwunden hätte als unsereins. Unterwegs sind noch die Reste einiger früherer Mühlen und alter Gebäude zu finden. Der Bach sammelt sich manchmal in kleinen Tümpeln, überdacht von dichtem Blattwerk. Die mystische, geheimnisvolle Atmosphäre dieser Märchenwelt zieht die Besucher in ihren Bann. Und gerade im Sommer ist die schattige und wasserreiche Richtis-Schlucht eine sehenswerte Alternative zu den sonnendurchglühten Felsschluchten, für die Kreta so berühmt ist.
von Michael Meinert 18. März 2024
Einsame Strände, bizarre Felswände - Kretas Südküste ist ein Geheimtipp
von Michael Meinert 6. März 2024
Organisierte Bustouren – eigentlich nicht so unser Ding. Tauscht man doch Selbstständigkeit gegen Bequemlichkeit ein. Oder, wie unser Freund Martin sagte: Man ist da so eingesperrt. Andererseits: Man kann unterwegs aus dem Fenster gucken und die Landschaft genießen, man kann zum Essen oder später ohne schlechtes Gewissen ein Gläschen trinken. Und man kann auf der Rückfahrt dösen. Theoretisch jedenfalls. Vor allem: Man muss sich nirgendwo um einen Parkplatz kümmern. Wenn das Reiseziel dann noch Heraklion ist und am Ziel zunächst Haie und später gar Dinosaurier warten, man sogar gefahrlos ein Erdbeben erleben kann, dann sollte man nicht zögern. Also finden wir uns morgens um 8 in Mirtos an der Bushaltestelle ein. Die Leute, die hier im Ort die öffentliche Bibliothek betreiben, haben die Tour organisiert. Auf dem Programm: Besuche im größten Aquarium Griechenlands und im Naturhistorischen Museum. Ein spannendes Programm. An die 40 Leute, fast ausschließlich Einheimische, fahren mit. Die Kreter sind gesellige Leute, und so ist die Stimmung im Bus bestens. Bald schaltet der Fahrer das Radio ein, und die Stimmung wird noch besser. 1,8 Millionen Liter Wasser Im „CretAquarium“, das 15 Kilometer vor Heraklion in Gournes liegt, ist es hingegen still. In mehr als 60 Wasserbecken mit insgesamt 1,8 Millionen Litern Salzwasser tummeln sich über 2000 Meeresbewohner aller Art. Eindrucksvolle Begegnungen mit Haien und Muränen, mit Stachelrochen und mit den schönen aber giftigen Feuerfischen, die durch den Suezkanal ins Mittelmeer eindringen. Rendezvous mit Korallen, Seesternen, Quallen und Seepferdchen, mit Fischen aller Größen, Formen, Mustern und Farben, mit allem, was sich im Mittelmeer so tummelt. Und jede Menge Infos, etwa zur Verschmutzung des Meeres. Dass eine Plastikflasche oder eine Wegwerfwindel nach 450 Jahren teilweise immer noch da sind, ist nicht gerade erfreulich. Schnell unter den Tisch Eine der Attraktionen im Naturhistorischen Museum von Kreta, unserer zweiten Station, ist das Erdbebenzimmer. Ein Klassenraum mit Stühlen und Tischen. Wir nehmen Platz, wer Rückenprobleme hat muss draußen bleiben, und dann erleben wir, was bei einem Erdbeben los ist. Erst ein leichtes Beben, dann immer stärker. Die Lampe an der Decke wackelt, die Landkarte an der Wand schwingt hin und her, und uns schüttelt es fast von den Stühlen. Tipps gibt es auch: Weg von Glasscheiben und Balkonen zum Beispiel, am besten unter einen Tisch legen und sich an ihm festhalten. Ehrlich: In der Realität möchte ich so etwas nicht erleben. Danach ist es richtig entspannend, durch das weitläufige Museum zu schlendern, sich Kretas Tiere (in ausgestopfter Form) und Lebensräume anzusehen, über physikalische Phänomene oder optische Täuschungen zu staunen. Ach ja, die Dinosaurier. Von denen sind etliche in Lebensgröße zu bewundern, und manche bewegen sich sogar. Beeindruckend. Man kann froh sein, dass sie keine Zeitgenossen sind und uns zertrampeln oder mit einem Happs verzehren könnten. Nach einem Bummel durch Heraklion und einem Besuch in der Taverne, die dort schon unsere Stammkneipe ist, geht es mit dem Bus zurück nach Mirtos. Die Stimmung an Bord ist gelöst und steigt mit jedem Kilometer. Wir wissen ja: Die Kreter sind gesellige Leute.
von Michael Meinert 29. Februar 2024
Agios Nikolaos, das Städtchen im Osten Kretas, hat das große Los gezogen: Seine Lage am weiten Golf von Mirabello ist phantastisch. Wohin man auch blickt – eine großartige Aussicht. Auf kleine Inseln, auf das tiefblaue Meer, auf die imposanten Berge auf der anderen Seite der Bucht, oder von oben auf den geheimnisvollen See, der durch einen kleinen Kanal mit dem Meer verbunden ist. Kein Wunder, dass Agios, wie es alle hier nennen, im Sommer von Touristen wimmelt. Jetzt, im beginnenden Frühling, ist es einfach nur schön. Benannt ist es nach St. Nikolaus, der auf Kreta sehr beliebt ist. Er hat hier Zeit, sich um das Städtchen zu kümmern, denn das aufreibende Weihnachtsgeschäft hat in Griechenland ein Kollege übernommen: St. Vassilios, der Schutzheilige der Seefahrt. Besuch bei Zeus und Europa Agios liegt auf einer hügeligen Halbinsel. Es macht Spaß, durch die Einkaufsstraßen zu schlendern oder ewig weit am Meer entlang zu flanieren. Vom Yachthafen bis hoch zum Stadtstrand Ammoudi mit seinem meist stillen, klaren Wasser. Unterwegs wartet die Skulptur von Zeus in Stiergestalt, mit der schönen Europa auf dem Rücken – sehenswert. Ebenso der See, der an einer Seite von einer steilen Felswand begrenzt ist, und um den sich viele Geschichten ranken. Unergründlich tief soll er sein, sagen die einen, „nur“ etwas mehr als 60 Meter, die anderen. So manches ist angeblich schon in ihm verschwunden, allerlei Kriegsgerät zum Beispiel, und er habe gar eine Verbindung mit der weit entfernten Insel Santorin, heißt es. Wie auch immer, es ist ein romantischer Ort, und man sollte sich die Zeit nehmen, in einem der Cafes oben auf der Felswand den Anblick zu genießen. Schätze aus den Palästen Lohnend ist auch das Archäologische Museum von Agios, eine modern und sorgsam präsentierte Sammlung von zahlreichen Fundstücken aus dem Osten Kretas, vom minoischen Palast von Malia bis zu dem von Kato Zakros, von Mochlos bis Gournia, sogar von der kleinen Insel Chrissi. Geöffnet ist das Museum in der Konstantinou-Paleologou-Straße zurzeit leider nur an Samstagen und Sonntagen jeweils von 9 bis 15 Uhr.
von Michael Meinert 16. Februar 2024
Archaische Gesetze und zehn heilige Männer 
von Michael Meinert 7. Februar 2024
Man kann nicht allen Katzen helfen. Aber vielleicht wenigstens mal einer, so als Anfang? - Den kleinen Straßenkater hatten wir vor einem Jahr kennengelernt, als wir zum ersten Mal den Winter in Mirtos verbrachten. Er war ständig in der Nähe unseres damaligen Quartiers, und er wurde immer anhänglicher. Vor ein paar Wochen, als wir wiederkamen, trafen wir ihn dort wieder. Anfangs schien alles ok, aber dann wurde er immer dünner, schniefte und würgte vor sich hin. Ab in die Kiste „Das kann man doch nicht mit ansehen“, fand auch unsere Freundin Marianna, als sie zu Besuch nach Mirtos kam. Und Marianna, muss man wissen, ist eine passionierte Tierfreundin, die schon so einige Hunde und Katzen unter ihre Fittiche genommen hat. Sogleich schrieb sie der Tierärztin, mit der sie schon auf Du und Du ist, eine Nachricht. „Morgen könnt ihr zu ihr fahren.“ Wir, die Neulinge im Katzenretten, waren etwas ratlos. "Besorgt euch eine Katzenbox, notfalls eine Kiste, setzt ihn rein und los geht’s", meinte sie. Und so begann eine internationale Kooperation. Nach Mariannas Ermunterung (sie ist ursprünglich aus Ungarn) trafen wir in der Taverne Freunde aus der Schweiz, die kannten einen Katzenboxbesitzer aus Holland, und der lieh uns sogleich den Käfig aus. Wir gabelten das Katerchen auf der Straße auf, brachten ihn mit gutem Zureden und etwas Futter in die Box, verfrachteten diese ins Auto und fuhren die paar Kilometer zur Ärztin. Die diagnostizierte eine schmerzhafte Gaumenentzündung, die dem Kater die Lust am Futter ziemlich verleidet hatte, und gab ihm eine Spritze. Dem Katerchen, das die ganze Prozedur klaglos erduldet hat, geht es von Tag zu Tag besser. Er freut sich auf sein Futter, das wir ihm täglich bringen, und er ist wieder richtig lebendig. Und anhänglich. Nach einer zweiten Spritze eine Woche später wurde es noch besser. Wenn er uns sieht, kommt er angesprungen, freut sich sichtlich. Lust auf Abenteuer Und er wird richtig unternehmungslustig. Früher traute er sich nicht aus seinem kleinen Revier heraus, kehrte sofort um, wenn er eine fremde Katze sah. Jetzt begleitet er uns öfter ein ganzes Stück, die Tage sogar bis runter ans Meer, das er vorher offenbar noch nie gesehen hatte. Dort am Strand ist katzenmäßig richtig was los, – aber die Begegnung mit den dortigen „Gangs“ war völlig friedlich und problemlos. Das Katerchen hatte ja auch seine zweibeinigen Beschützer dabei. Uns. Es ist kein großes Ding, einer einzelnen Katze ein bisschen zu helfen. Auch wenn es nur etwas Futter ist, ein, zwei Spritzen – und ein wenig Unterstützung, selbstbewusster zu werden und sich in der eigenen Umgebung wohler zu fühlen. Ετσι ειναι η ζωη – so ist das Leben.
von Michael Meinert 20. Januar 2024
Heraklion hat einiges zu bieten. Es ist sicher nicht die schönste Stadt Kretas, aber es hat ja auch viel mitgemacht in seiner langen Geschichte. Angefangen hat alles mit dem großen Knossos, der minoischen Metropole, die nahe der heutigen Hauptstadt vor fast 4000 Jahren einen ihrer kleineren Häfen betrieb. Dann kamen die Griechen vom Festland, die Araber, die Byzantiner, die Venetianer, die Türken, vor rund 80 Jahren dann auch noch die Deutschen, die die Stadt bombardierten und viel zerstörten. Der Wiederaufbau nach dem Krieg verlief eher planlos, Ästhetik spielte keine Rolle - und das sieht man der Stadt an. Nicht so im Zentrum, rund um den berühmten Löwen- oder Morosini-Brunnen aus dem Jahr 1628. Hier, in einem weitläufigen Fußgängerbereich, schlägt das Herz Heraklions, hier zieht es uns immer wieder hin. Wir sehen uns die hübschen und meist gut besuchten Tavernen, Cafés und Restaurants an, schlendern durch die Basarstraße Odos 1866, bestaunen die venezianische Loggia oder die Titoskirche, betrachten die Schaufenster der zahlreichen Geschäfte auf dem Weg zum Eleftheriasplatz, gehen die Straße des 25. August hinunter zum Meer, zum alten Fort, zum Venezianischen Hafen. 21 Jahre Belagerung Den Venezianern, die von 1206 bis 1669 Kreta beherrschten, verdanken wir einen Spaziergang der besonderen Art. Der Venezianische Befestigungswall mit seinen zahlreichen Bastionen umgibt den Kern Heraklions auf einer Länge von mehr als fünf Kilometern. Er ist wuchtig, er ist breit, er hat der türkischen Belagerung 21 Jahre lang standgehalten, bevor die Osmanen dann in eben jenem Jahr 1669 Heraklion doch noch eroberten und fast 250 Jahre lang auf Kreta blieben. Zum Leidwesen der Kreter. Heute kann man auf diesem kolossalen und gut erhaltenen Bauwerk entlang spazieren. Eigentlich. Denn zurzeit wird der Weg neu gestaltet, vieles ist schon fertig, vieles noch nicht so ganz. Und so sind nicht wenige seiner Auf- und Abgänge gesperrt. So läuft man schon mal ein paar hundert Meter in eine Richtung in der Hoffnung auf eine Treppe, die einen wieder nach unten und in die Gegenwart führt, aber am Ende versperren hässliche Blechplatten den Weg. Ärgerlich – zumal es keinen Hinweis auf die Sackgasse gibt. Eine Bastion für Nikos Kazantzakis Auch am Grab des berühmten Autors Nikos Kazantzakis (Alexis Sorbas) hoch oben auf der Martinengo Bastion wird gearbeitet. Man hat Gras und Palmen geschnitten, das Zeug liegt meterhoch rum, die beiden Arbeiter haben es sich auf den Steinquadern des schlichten Grabes gemütlich gemacht, um einer ausgedehnten Pause zu frönen. Den Autor hätte es vielleicht nicht gestört. Sein berühmter Spruch „Ich erhoffe nichts, ich fürchte nichts, ich bin frei“ ziert den Grabstein. Begegnungen mit der Geschichte Was wäre Heraklion, die Stadt des Herakles, ohne seine Museen? Das berühmteste ist natürlich das Archäologische Museum, diesmal haben wir uns das ebenfalls sehr empfehlenswerte Historische Museum ausgesucht. Das Naturhistorische Museum steht beim nächsten Besuch auf unserer Liste, und wirklich fasziniert bin ich auch vom Museum der Altgriechischen Technologie (Blogbeitrag vom 30.01.2023). Das größte Museum aber ist der Minoische Palast von Knossos außerhalb von Heraklion (Blogbeitrag 24.01.2023). Der richtige Dreh Heraklion ist in jeder Beziehung quirlig. Das gilt auch für den Straßenverkehr. Daher sind wir jetzt auf den Bus gekommen. Gar nicht so schwer. Gerade mal 1,20 Euro kostet das Ticket in der City. Man zieht es am Automaten, oder kauft es im Kiosk oder Mini-Market. Die Entwertung ist denkbar einfach. Man hält es dem Fahrer hin, hält es fest, und er reißt die Hälfte ab. Besonders gut geht es, wenn man die Hand, mit der man den Fahrschein hält, gegenläufig zur Reißrichtung des Fahrers dreht – das ist dann schon richtig professionell. Die Busse fahren in einem engen Takt, Leuchttafeln zeigen an, wann der nächste kommt. Oder man scannt einfach einen QR-Code an der Haltestelle. Man sollte sich zwei, drei Tage Zeit nehmen für dieses Heraklion mit seinen Sehenswürdigkeiten, seinen Tavernen, seinen interessanten Geschäften, seinen in der Innenstadt auffällig gepflegten Straßen, seiner malerischen Kulisse am alten Hafen und der sehnsuchtsvollen Atmosphäre der großen Fähren am neuen Port, die Kreta mit Griechenland verbinden. Eine Stadt mit Gegensätzen - und mit viel besonderem Flair.
von Michael Meinert 9. Januar 2024
In Mirtos steht eine kleine Kirche, einen Steinwurf vom Strand entfernt. Ein hübsches Steingebäude, idyllisch gelegen, dem Heiligen Antonios geweiht. Umgeben von einem kleinen Platz, umrahmt von Bäumen. Hier wurden am 15. September 1943 18 Männer aus dem Dorf von deutschen Soldaten erschossen. Eine Steintafel mit ihren Namen erinnert daran. Das Mahnmal an der Hinrichtungsstätte in Mirtos ist nicht das einzige. Unter anderem auch in den benachbarten Bergdörfern Gdochia und Mournies sind Gedenktafeln angebracht, auch hier wurden Menschen in jenen Tagen ermordet, die Ortschaften verwüstet – weil die Kreter den Nazis, die die Insel besetzt hatten, Widerstand leisteten. Das Drama fing an mit der Invasion Kretas durch deutsche Fallschirmtruppen am 20. Mai 1941 bei Maleme im Nordwesten. Ziel war es, den dortigen Militärflugplatz einzunehmen. Auch bei Rethymnon und Heraklion sprangen Soldaten ab. Kreta wehrt sich Das griechische Festland war bereits besetzt, auf Kreta hielten sich britische, australische und neuseeländische Streitkräfte auf, auch griechische Einheiten. Die Deutschen hatten nicht mit dem heftigen Widerstand der Truppen und auch der kretischen Bevölkerung gerechnet. Es dauerte zehn Tage, bis Kreta erobert war. Mehrere tausend Menschen wurden getötet. Darunter mehr als 3300 der deutschen Fallschirmjäger, meist sehr junge Männer. Sie sind heute auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Maleme begraben, insgesamt liegen hier fast 4500 deutsche Soldaten. Der Soldatenfriedhof der Alliierten, der Souda Bay War Cemetery, wurde bei Souda unweit von Chania angelegt. Hier sind mehr als 1500 Gefallene beerdigt. Die Überlebenden der alliierten Truppen wurden von Hora Sfakion aus evakuiert. Der Widerstand der kretischen Bevölkerung aber dauerte an – und wurde mit grausamen Vergeltungsmaßnahmen beantwortet. Zahlreiche Menschen wurden erschossen, Dörfer zerstört. Eines der schlimmsten Massaker fand in jenem September 1943 bei Ano Vianos statt. Nachdem deutsche Soldaten von Rebellen angegriffen worden waren, wurden mehr als 440 Männer exekutiert. Auch in der Umgebung – bis hin nach Mirtos - gab es Hinrichtungen. Gedenkstätte Ano Vianos Zahlreiche Mahnmale erinnern an die Verbrechen. Eine große Gedenkstätte wurde bei Ano Vianos errichtet, am Rande des Dorfes Amiras, wo die Straße nach Arvi abzweigt. Elf Steintafeln mit den Namen der Opfer, eine große Stele mit der Skulptur eines zusammengesunkenen Menschen. Insgesamt, so berichten historische Quellen, haben die deutschen Truppen in den Kriegsjahren auf Kreta 3474 Menschen exekutiert, 40 Ortschaften zerstört. Wir sollten all das nicht vergessen.
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