25. Dezember 2022

Michael Meinert

 Schöne Weihnachten

Heiligabend. Normalerweise gehe ich da morgens auf die Terrasse, wo eine Tanne oder Fichte auf mich wartet. Ich bearbeite den Stamm, dass er in den Ständer passt, trage den Baum ins Zimmer, wo er dann seine Kugeln, Kerzen und was auch immer bekommt. Wenn man großes Glück hat, fängt es am Nachmittag an zu schneien.
Heute Morgen gehe ich ans Meer. Das Wasser ist ruhig, die Sonne gibt sich mal wieder richtig Mühe und verspricht, dass wir später schwimmen können. Dann frühstücken wir auf dem Balkon. Heiligabend ganz anders. Merkwürdig, gewöhnungsbedürftig. Ein bisschen Melancholie.
Von Weihnachten ist hier in Mirtos nicht viel zu spüren. Die Bäume tragen nach wie vor ihre Blätter, die Blumen blühen unverdrossen. Hier und da hängen ein paar bunte Girlanden und ein paar bunte Lichtchen, die später hektisch blinken werden. Ein Boot ist mit einer Lichterkette geschmückt, mitunter zeigt sich ein Weihnachtsbaum aus Plastik.
Wir gehen an den Strand. Das Wasser ist immer noch angenehm. Danach fahren wir nach Ierapetra, der nächsten Stadt. Auf der Suche nach ein bisschen Weihnachtsatmosphäre. Tatsächlich, hier gibt es einen Weihnachtsmarkt. Eine Art Weihnachtsmarkt. Eher ein kleiner Flohmarkt mit einem halben Dutzend schmuckloser Buden, die meisten verschlossen. In der Nähe eine große Krippe mit bunten Figuren, ein Weihnachtsbaum, ein Weihnachtsmann aus Plastik. Das ist hier in Griechenland der Heilige Vassilios, nicht unser Nikolaus. „Ai Vassilis“ bringt auch die Geschenke, aber erst an Neujahr. 
Später wird’s laut auf dem Weihnachtsmarkt. Popmusik. Besinnlichkeit? Nein. Laut und fröhlich geht es zu. Heiligabend ist Partytime.
Am Abend zurück in Mirtos. Heiligabend ist hier kein Thema. Die paar Läden sind offen, beim Friseur herrscht Hochbetrieb. Man will ja schick sein am 1. Feiertag. Der gehört in der Regel der Familie.
Wir trinken in Corinas Kneipe an der kleinen Uferpromenade einen Wein. Die künstliche Tanne, die hier seit Wochen steht, blinkt vor sich hin. Eigentlich ist alles so wie jeden Abend.
Das höchste religiöse Fest in Griechenland ist nicht Weihnachten, sondern Ostern. Es passt auch besser in ein Land, in dem der Winter eher ein Frühling ist. 


 Merry Christmas

 Christmas Eve. I usually go to the terrace in the morning, where a fir or spruce tree is waiting for me. I put it into the stand, carry the tree into the room, where it then gets decorated. If you are very lucky, it will start snowing in the afternoon.

This morning I´m going to the sea. The water is calm, the sun makes a real effort again and promises that we can swim later. Then we are having breakfast on the balcony. Christmas Eve very different. Strange, needs getting used to. A bit of melancholy.

There is not much to feel of Christmas here in Mirtos. The trees still bear their leaves, the flowers bloom undaunted. Here and there hang a few colorful garlands and a few colorful lights that will flash frantically later. A boat is decorated with a string of lights, here and there a Christmas tree made of plastic. We are going to the beach. The temperature of the water is still comfortable. Then we are driving to Ierapetra, the next town. Looking for a bit of Christmas atmosphere. In fact, there is a kind of Christmas market. Rather a small flea market with half a dozen plain market stands, most of them closed. Nearby a large crib with colorful figures, a Christmas tree, a “Santa Claus” made of plastic. He´s called Saint Vassilios here in Greece. "Ai Vassilis" also brings the gifts, but only on New Year's Day.

Later it gets loud at the Christmas market. Pop music. Contemplation? No. It is loud and cheerful. Christmas Eve is party time.

In the evening back in Mirtos. Christmas Eve is not an issue here. The few shops are open, the hairdresser is very busy. You want to be chic on Christmas Day.

We are drinking wine in Corina's pub on the small waterfront. The artificial fir tree that has been standing here for weeks is flashing. Everything is the same as every evening.

The highest religious festival in Greece is not Christmas, but Easter. It fits better in a country where winter is more like spring.






von Michael Meinert 28. Oktober 2025
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26 Grad sind es, als wir ankommen. Die Sonne strahlt am wolkenlosen Himmel. Zuhause, in Deutschland, sind es neun Grad. Es regnet dort, verkündet uns die Wetter-App. Nach sieben Monaten sind wir endlich wieder auf Kreta, in Mirtos im Südosten, wo wir die drei letzten Winter verbracht haben. Diesmal wird es nicht so lang, dafür sind wir einen Monat früher da als sonst. Mirtos mit doch immer noch recht vielen Touristen, das mussten wir uns auch mal ansehen. Der Parkplatz am Ortseingang, wo sonst ein zwei Schrottkisten überwinterten, ist jetzt, Anfang Oktober, voller Autos. Alle Läden sind auf, alle Tavernen, Das hat Vorteile, aber wir müssen uns an die Szenerie gewöhnen. Im Winter hatten wir den Ort fast für uns. Diesmal haben wir nur ein Zimmer gemietet, etwas abseits, mit Blick aufs Meer. Eine kurze, irre steile Straße führt hinauf, aber unser kleines Mietauto schafft es ohne Murren. Unser eigenes Auto haben wir diesmal zuhause gelassen. Trauben und ein bisschen Griechisch Die Mutter des Vermieters begrüßt uns mit süßen Trauben und würzigen Keksen. Wie gut, dass ein bisschen was an Griechisch bei uns hängen geblieben ist. Kaum sind wir da, kommt eine Nachricht von Freunden aufs Handy. „Seid ihr schon da? Wir kamen gestern.“ Verbunden mit einer Einladung zu einer Geburtstagsfeier. Wir gehen runter ins Dorf. Immer wieder treffen wir Leute, die wir aus unseren Wintern kennen. Es ist ein bisschen wie nach Hause zu kommen. Viele Urlauber schlendern durch die engen Gassen und über die Promenade am Meer, Freizeitlook. Manche, besonders ältere Herren, zeigen dabei viel nackte Haut. Sie wären besser beraten, dies nicht zu tun. Am Strand sind jede Menge Liegestühle hingestellt und Schirme aufgepflanzt worden. Kein Vergleich mit den Ferienhochburgen, wo wirklich Massentourismus herrscht, aber für uns natürlich ungewohnt. Auf dem Meer tummeln sich sogar zwei drei Kitesurfer, auch ungewohnt, aber beeindruckend. Badewetter, das Meer ist noch warm. Im Februar oder März sieht das anders aus. Da konnte ich abends in der Taverne damit angeben, im Wasser gewesen zu sein. Mirtos im Wandel Jetzt, im Oktober, ist fast noch Saison. Die Preise für Apartments und Studios sind hoch, im Winter sieht das anders aus. Und es werden immer mehr Wohnungen zu Touristenunterkünften umgebaut. Die ursprünglichen Bewohner, Einheimische wie Ausländer, die schon lange hier leben, müssen sich eine andere Bleibe suchen. Keine gute Entwicklung, sagen sogar Leute, die ihr Geld mit dem Tourismus verdienen. Der Charakter, das Flair des Ortes verändert sich. Die Harmonie von authentischem Dorf und sanftem Tourismus schwindet, so die Befürchtung. Eine Bekannte aus Holland, eigentlich „Urgestein“ in Mirtos, ist in ein nicht weit entferntes Dörfchen in den Bergen gezogen, „Ich wohne jetzt in einem größeren Haus, es ist massiver gebaut, und es ist natürlich billiger.“ An unserem ersten Abend feiern wir Wiedersehen mit Freunden, die seit fünf Jahren in Mirtos wohnen. Ende des Monats verlassen sie Kreta, gehen zurück in die Schweiz. Es hat sich halt doch so einiges verändert, sagen sie. Irgendwann kommen sie wieder, denke ich. Ich sitze auf dem Balkon und schaue hinunter aufs Meer. Die ersten 100 Meter leuchtet es türkis, danach zeigt es sich in einem dunklen Blau. Weiße Schaumkrönchen verzieren die Wellen. Wie schön, wieder hier zu sein.
von Michael Meinert 28. Dezember 2024
Am Rande des Dörfchens Kritsa, oberhalb der Stadt Agios Nikolaos im Osten Kretas, liegt eine Schlucht. Die ist nicht ganz unschuldig daran, dass wir seit Jahren immer wieder nach Kreta kommen. Denn die kretischen Schluchten, zahlreich, mannigfaltig, abwechslungsreich, sind ein Paradies für alle, die gerne wandern, die grandiose Szenerien schätzen. Und die Kritsa-Schlucht war unsere erste, vor vielen Jahren, und sie hat uns auf den Geschmack gebracht. Jetzt ziehen wir unsere Stiefel an und machen uns erneut auf den Weg. Und erneut ist diese nicht allzu lange aber teils anspruchsvolle Tour ein besonderes Erlebnis. Durchs Bachbett mit seinen runden Steinen, über Felsbarrieren, die durch ins Gestein getriebene Metallbügel oder ein Seil etwas leichter zu bewältigen sind. Entlang himmelhoch aufragender, rötlich schimmernder Felswände, durch enge Stellen, an denen die Felsen im Laufe der Jahrtausende glattgespült sind. Vorbei an Gestein, das wie uraltes verwittertes Holz aussieht, an toten Baumstämmen im jetzt trockenen Bachbett, die die Wassermassen bei starkem Regen nach unten schwemmen. Oleander, der sich in den im Sommer glühend heißen Schluchten besonders wohlfühlt, Pflänzchen, die sich an schattigen Stellen in noch so kleine Felsritzen klammern. Und vielleicht auch ein Adler oder Geier hoch über unseren Köpfen. Die Kritsa-Schlucht, die als eine der schönsten auf Kreta gilt, hat nichts von ihrer Faszination verloren. In Kritsa lohnt auch der Besuch der über 600 Jahre alten Kirche Panagia Kera mit ihren sehenswerten byzantinischen Fresken. Und in der Nähe liegen die Ruinen der dorischen Stadt Lato, die schätzungsweise vor 2500 Jahren erbaut wurde.
von Michael Meinert 6. Dezember 2024
Griechisch, heißt es, ist eine der schwersten Sprachen der Welt. Mag schon sein, aber was bleibt einem übrig, wenn man öfter auf Kreta ist (den dritten Winter übrigens) und nicht mehr den Touristen geben will, der gerade mal „Evcharisto“ und „Kali nichta“ zustande bringt. Also frisch ans Werk, und immer schön die Ohren spitzen, wie die Einheimischen so reden. Doch – aller Anfang ist schwer. Es fängt schon mal damit an, dass Ja „nä“ heißt. „Thelo ena potiri aspro krasi“ sage ich fröhlich in der Dorfkneipe, und die Wirtin entgegnet einsilbig „Nä“. Was habe ich getan, warum will sie mir kein Glas Weißwein geben, schoss es mir anfangs immer erstmal kurz durch den Kopf. Und wenn ich selbst Nein sagen wollte, lag mir schon das „Nä“ auf der Zunge – und nicht das „Ochi“. Die Griechen lieben die langen Wörter – auch schon in der einfachen Alltagssprache. Ganz anders die Engländer, und so ist Englisch auch eine internationale Verkehrssprache. „Use“ zum Beispiel hat man doch viel schneller intus als etwa das griechische Pendant „chrisimopió“. Wortungetüme wie „katapliktikó“ (toll), perissótero (mehr) oder „skampanevásmata“ (Höhen und Tiefen) sind schon in der Lage, den Lernanfängern Respekt einzuflößen. Hinzu kommt die andere Schrift, aber die ist im Vergleich zur Lexik und Grammatik der griechischen Sprache ein eher kleines Hindernis, das man relativ schnell überwindet. Ins Grübeln gerät man aber bei Details wie der Sache mit den fünf „I“. Da gibt es das Ita (Η bzw. η), das Jota (Ι bzw. ι), das Ypsilon (Υ bzw. υ) – und alle klingen sie gleich. Ebenso die zwei weiteren Möglichkeiten, die Kombinationen “ei“ (ει) und „oi“ (οι), die auch nur I-Laute bezeichnen. Wir nannten die drei ersten anfangs das “Buckel-I“, das „normale I“ und das „U-I“. Nur gut, dass man beim Reden nicht überlegen muss, welches „I“ nun an der Reihe ist. Wichtig, ganz wichtig ist die richtige Betonung. „Póte“- betont auf dem O, heißt zum Beispiel „wann“, „poté“, betont auf dem E, hingegen bedeutet „nie“. Glücklicherweise gehören die Betonungszeichen zur Schriftsprache. Generell scheint zu gelten: Ein Wort wird so betont, wie wir als Deutschsprachige es nicht betonen würden. Wie lernt man nun am besten Griechisch? „Auf der Straße“ versichert ein Freund, der vor vielen Jahren nach Kreta ausgewandert ist. „Mit Grammatikpauken“ glaubt ein anderer, der wohl gerne Altphilologe geworden wäre. Mit klassischem Lehrbuch, mit Online-Sprachkursen, mit einfachen Kinderbüchern? Wie auch immer: am besten wohl im Gespräch mit Griechen. Und wenn es am Anfang auch als Sisyphos-Arbeit erscheint, so will ich doch gerne einer Bekannten glauben, die es schon lange geschafft hat: „Irgendwann macht es Klick, und alles ist viel einfacher.“
von Michael Meinert 26. April 2024
Bevor es nach einem ganzen Winter auf Kreta zurück nach Deutschland geht, machen wir noch Station in Kissamos. Ein Städtchen ganz im Nordwesten der Insel, das neben seiner quirligen und anstrengenden Durchgangsstraße auch ein paar schöne Ecken hat. Wir mieten uns in einer Pension ein und kaufen uns in einer Reiseagentur schon mal die Schiffstickets. Am folgenden Sonntagmorgen soll die Fähre von Kissamos nach Gythio auf der Peloponnes gehen, am frühen Abend dort ankommen. Am Montagabend legt dann das Schiff von Patras nach Venedig ab. So haben wir den ganzen Montag Zeit, die 300 Kilometer auf der Peloponnes zu fahren – und wir müssen nicht in den Trubel von Piräus. So unser Plan. Aber es ist ja erst Donnerstag, noch drei Tage Zeit für Kreta. Wir besuchen endlich mal den Botanischen Garten, der 15 Kilometer südwestlich von Chania in der Nähe des Dörfchens Fournes liegt. Der in einem hügeligen Gebiet angelegte Garten ist absolut sehenswert mit seiner Fülle an mediterranen und tropischen Pflanzen, den liebevoll arrangierten Kunstwerken am Wegesrand, den Pfauen und anderen Tieren in einem kleinen Zoo. Im Frühsommer wird es dort natürlich noch viel mehr blühen als jetzt im April, aber dafür sind nun viel weniger Leute unterwegs. Und wenn wir schon mal in der Gegend sind, dachten wir uns, fahren wir noch ein paar Kilometer weiter zur Omalos-Hochebene und zum Eingang der Samaria-Schlucht. Die Straße windet sich hoch hinauf in die Berge, kaum ein Auto ist unterwegs, oft müssen wir warten, bis die vielen Schafe langsam von der Fahrbahn trotten. Es ist leer und einsam, denn die imposante Schlucht ist noch geschlossen, der Eingang mit Zäunen und Stacheldraht verrammelt. Hier, auf 1200 Metern Höhe, wo sich im Sommer täglich hunderte von Schluchtenwanderern drängen, sind wir nun fast alleine - inmitten der grandiosen Bergwelt der Lefka Ori, der Weißen Berge. Die Samaria-Schlucht ist – wenn das Wetter mitspielt – vom 1. Mai bis zum 15. Oktober geöffnet. Auf mehr als 16 Kilometern zieht sie sich zwischen teilweise 600 Metern hohen Felswänden runter nach Agia Roumeli an der Südküste. Wir haben bisher nur die abgespeckte Variante gemacht: Frühmorgens von Agia Roumeli nordwärts bis zur Mitte der Schlucht, dann wieder zurück, bevor die wandernden Massen uns überschwemmen konnten. Bei dieser Version hat man Samaria für sich allein. Doch irgendwann steht auch die klassische Nord-Süd-Tour auf unserem Programm. Die zwei letzten Nächte auf Kreta verbringen wir in Kavousi bei Falasarna. Falasarna, in der Antike eine wichtige Hafenstadt, ist heute ein Badeort mit langem, phantastischem Strand. Und an eben diesem Strand meldet sich am Samstagnachmittag mein Handy. Eine SMS ist eingetroffen. Eine SMS der Fährgesellschaft, dass unser Schiff am Sonntagmorgen nicht fahren wird. Wartungsarbeiten. Wir sind ziemlich schockiert, haben wir doch nicht nur ein Hotel in Gythio gebucht, sondern auch schon das Anschlussticket nach Venedig gekauft. Was tun? Zum Glück ist die Agentur in Kissamos, wo wir die Tickets gekauft haben, am Samstagabend geöffnet. Und wir können umbuchen auf eine Fähre, die am Sonntagabend von Chania aus nach Piräus fährt. Kostet zwar etwas mehr, aber so können wir die Anschlussfähre erreichen. Am Sonntag fahren wir nach Chania, besuchen noch die antike Stadt Aptera in der Nähe, sind am Abend auf der Fähre. Gegen 21 Uhr geht es los. Erst wird der Hafen immer kleiner, dann die Souda-Bucht, dann ganz Kreta. Kein besonders schönes Gefühl, egal, ob nach zwei Wochen oder fünf Monaten. Aber wir trösten uns mit dem Gedanken: Nach Kreta ist vor Kreta.
von Michael Meinert 18. April 2024
Was für ein komisches Gefühl, nach fünf Monaten ein letztes Mal aus Mirtos herauszufahren. Das gewundene Sträßchen hoch nach Mournies, weiter nach Ano Vianos. Alles so vertraut, man kennt fast jede Kurve, jeden Blick auf die felsigen Hänge. Wir haben noch etwas Zeit, wollen uns noch ein bisschen im Westen von Kreta herumtreiben, dann die Fähre von Kissamos zur Peloponnes nehmen. Den ganzen Tag sind wir unterwegs, vorbei an Festos und Agia Galini, hoch nach Rethimnon, auf der Schnellstraße nach Chania, nach Kissamos, dann die Westküste runter. Wir haben eine Unterkunft in einem winzigen Örtchen namens Amigdokefali gebucht, in einem abgelegenen Häuschen, ein paar Kilometer vor Elafonisi. Areti Sea View Mountain Cottage heißt es, die Aussicht runter auf die Küste ist grandios und die Gastgeber, ein älteres Ehepaar, sind sehr nett und gastfreundlich. Sie laden uns zum Abendessen ein. Allerdings: Sie sprechen nur Griechisch, wirklich ausschließlich. Wir haben zwar in den vergangenen Monaten so einiges gelernt, aber wenn Kreter einen mit langen Sätzen in rasantem Tempo konfrontieren, hat man wenig Chancen. War trotzdem sehr nett. Beim nächsten Mal wird unser Griechisch besser sein. Am nächsten Tag ein Ausflug an den Lagunenstrand von Elafonisi, der als einer der schönsten Strände der Welt gilt. In der Saison drängen sich dort tausende von Besuchern, aber an diesem frühen Aprilmorgen haben wir den Traumstrand mit dem rosa Sand fast für uns allein. Und: Es ist windstill, das Wasser ganz glatt, es ist wunderschön. Ein Stück weiter Richtung Paleochora liegt ein anderer schöner Strand, Kedrodasos, was auf Deutsch Zedernwald bedeutet. Zwei Kilometer auf dem Fernwanderweg E 4 sind es bis dahin, aber es sind heftige zwei Kilometer, mit viel Kletterei über Felsen. Der E 4, ich stelle es jedes Mal fest, ist kein Spazierweg durch einen Kurpark. Kedrodasos ist ein Dünenstrand mit Zedern und ganz viel Wacholder, sehr schön anzusehen, zum Baden aber wegen der Felsplatten im Wasser nicht so ideal wie seine berühmte Schwester Elafonisi. Den Abend verbringen wir in einer Institution, ganz in der Nähe unserer Unterkunft: "Petroula’s Bar". Eine Holzkonstruktion mit einer phantastischen Aussicht und einem hochgelobten Orangensaft, bekannt bei vielen Kretareisenden. Petroula ist ein Esel der dort ab und zu herumstrolcht, ansonsten tummeln sich zahlreiche Hunde in und um die Hütte. Manolis, der Wirt, gibt zu, dass er einen Hundespleen hat, besonders jetzt, wo die Schar durch acht Welpen verstärkt wird. Wir sind mit Manolis allein an diesem Abend, trinken Wein und Raki und bekommen dazu Geschichten über Kreta im Allgemeinen und die Westküste im Besonderen serviert. Am nächsten Tag brechen wir auf zu den letzten beiden Stationen unserer Kretareise: Kissamos und Falasarna. Und werfen noch einen Blick in die Samaria-Schlucht. Mehr darüber in der nächsten Folge.
von Michael Meinert 24. März 2024
Sie ist anders als die andern - geheimnisvoll, vielversprechend, von üppiger Schönheit, mit vielen Facetten, hell und strahlend hier, dunkel und unergründlich dort: die Richtis-Schlucht, im Nordosten Kretas zwischen Kovousi und Sitia gelegen. Vom Örtchen Exo Mouliana aus schlängelt sie sich auf einer Länge von etwas über fünf Kilometern hinunter bis ans Meer. Fünf Kilometer aber, die es in sich haben. Startpunkt ist ein Parkplatz ein paar hundert Meter östlich von Exo Moulina an der Hauptstraße. Die Richtis-Schlucht ist bekannt für ihre üppige Vegetation: Bäume aller Art, die auf der Suche nach Licht ihre Äste in teils grotesken Windungen nach oben strecken, Oleander von ungewohnter Höhe, Pflanzen, die man als Zimmerpflanzen kennt, in riesigen Dimensionen, vereinzelte Palmen mitten in einem Laubwald, am Ende Oregano in Hülle und Fülle. Über Stock und Stein Der Weg windet sich an einem Bach entlang, mal auf der einen, mal auf der anderen Seite. Teils gibt es Holzbohlen, teils nur ein paar Trittsteine, über die man balancieren muss. In der Saison kostet die Schlucht Eintritt (derzeit drei Euro), aber die Einnahmen werden gut angelegt: Der Pfad ist sehr gut markiert, an schwierigen Stellen gibt es richtige Holzbrücken und Treppen. Besonders interessant ist die Treppenkonstruktion, die in der Mitte der Schlucht zu einem kleinen Rastplatz an einem sehr beeindruckenden Wasserfall hinabführt. Lara lässt grüßen Die Schlucht erinnert stellenweise an eine Klamm in Deutschland oder Österreich, wenig später aber an einen tropischen Dschungel, eine Tomb-Raider-Szenerie. Wobei Lara Croft die Felsbrocken, über die der Weg mitunter führt, sicherlich viel eleganter überwunden hätte als unsereins. Unterwegs sind noch die Reste einiger früherer Mühlen und alter Gebäude zu finden. Der Bach sammelt sich manchmal in kleinen Tümpeln, überdacht von dichtem Blattwerk. Die mystische, geheimnisvolle Atmosphäre dieser Märchenwelt zieht die Besucher in ihren Bann. Und gerade im Sommer ist die schattige und wasserreiche Richtis-Schlucht eine sehenswerte Alternative zu den sonnendurchglühten Felsschluchten, für die Kreta so berühmt ist.
von Michael Meinert 18. März 2024
Einsame Strände, bizarre Felswände - Kretas Südküste ist ein Geheimtipp
von Michael Meinert 6. März 2024
Organisierte Bustouren – eigentlich nicht so unser Ding. Tauscht man doch Selbstständigkeit gegen Bequemlichkeit ein. Oder, wie unser Freund Martin sagte: Man ist da so eingesperrt. Andererseits: Man kann unterwegs aus dem Fenster gucken und die Landschaft genießen, man kann zum Essen oder später ohne schlechtes Gewissen ein Gläschen trinken. Und man kann auf der Rückfahrt dösen. Theoretisch jedenfalls. Vor allem: Man muss sich nirgendwo um einen Parkplatz kümmern. Wenn das Reiseziel dann noch Heraklion ist und am Ziel zunächst Haie und später gar Dinosaurier warten, man sogar gefahrlos ein Erdbeben erleben kann, dann sollte man nicht zögern. Also finden wir uns morgens um 8 in Mirtos an der Bushaltestelle ein. Die Leute, die hier im Ort die öffentliche Bibliothek betreiben, haben die Tour organisiert. Auf dem Programm: Besuche im größten Aquarium Griechenlands und im Naturhistorischen Museum. Ein spannendes Programm. An die 40 Leute, fast ausschließlich Einheimische, fahren mit. Die Kreter sind gesellige Leute, und so ist die Stimmung im Bus bestens. Bald schaltet der Fahrer das Radio ein, und die Stimmung wird noch besser. 1,8 Millionen Liter Wasser Im „CretAquarium“, das 15 Kilometer vor Heraklion in Gournes liegt, ist es hingegen still. In mehr als 60 Wasserbecken mit insgesamt 1,8 Millionen Litern Salzwasser tummeln sich über 2000 Meeresbewohner aller Art. Eindrucksvolle Begegnungen mit Haien und Muränen, mit Stachelrochen und mit den schönen aber giftigen Feuerfischen, die durch den Suezkanal ins Mittelmeer eindringen. Rendezvous mit Korallen, Seesternen, Quallen und Seepferdchen, mit Fischen aller Größen, Formen, Mustern und Farben, mit allem, was sich im Mittelmeer so tummelt. Und jede Menge Infos, etwa zur Verschmutzung des Meeres. Dass eine Plastikflasche oder eine Wegwerfwindel nach 450 Jahren teilweise immer noch da sind, ist nicht gerade erfreulich. Schnell unter den Tisch Eine der Attraktionen im Naturhistorischen Museum von Kreta, unserer zweiten Station, ist das Erdbebenzimmer. Ein Klassenraum mit Stühlen und Tischen. Wir nehmen Platz, wer Rückenprobleme hat muss draußen bleiben, und dann erleben wir, was bei einem Erdbeben los ist. Erst ein leichtes Beben, dann immer stärker. Die Lampe an der Decke wackelt, die Landkarte an der Wand schwingt hin und her, und uns schüttelt es fast von den Stühlen. Tipps gibt es auch: Weg von Glasscheiben und Balkonen zum Beispiel, am besten unter einen Tisch legen und sich an ihm festhalten. Ehrlich: In der Realität möchte ich so etwas nicht erleben. Danach ist es richtig entspannend, durch das weitläufige Museum zu schlendern, sich Kretas Tiere (in ausgestopfter Form) und Lebensräume anzusehen, über physikalische Phänomene oder optische Täuschungen zu staunen. Ach ja, die Dinosaurier. Von denen sind etliche in Lebensgröße zu bewundern, und manche bewegen sich sogar. Beeindruckend. Man kann froh sein, dass sie keine Zeitgenossen sind und uns zertrampeln oder mit einem Happs verzehren könnten. Nach einem Bummel durch Heraklion und einem Besuch in der Taverne, die dort schon unsere Stammkneipe ist, geht es mit dem Bus zurück nach Mirtos. Die Stimmung an Bord ist gelöst und steigt mit jedem Kilometer. Wir wissen ja: Die Kreter sind gesellige Leute.